„Altes Brauchtum, Dialekt und Wissen darüber, wie früher gelebt, gearbeitet und gebetet wurde – das alles geht immer mehr verloren“, findet Christine Kießling. Um das Dorfleben und seine Ursprünge für künftige Generationen festzuhalten, hat der Gartenbauverein mit Kießling an der Spitze eine „Früher in Modschiedel“ betitelte Dorfchronik erstellt.
Wie ein erster Blick in das ab dem Wochenende erhältliche Heft zeigt, hat sich die mühevolle Arbeit, die sich über Jahre hinweg zog, ausgezahlt. 22 Kapitel, die sich auf 92 Seiten aufteilen; knapp 250 Fotos, von denen ein Großteil bislang nur einem eingeweihten Kreis zu Gesicht bekommen sein dürfte.
Schon beim groben Durchblättern der im Din-A4-Format gehaltenen Broschüre wird deutlich, wie viel Mühe sich die Initiatoren mit der Zusammenstellung gemacht haben, die quasi eine Fortsetzung der 2008 vom Verein herausgegebenen Fotochronik darstellt. Im Gegensatz zu jenem Band sind sowohl die Anzahl der Bilder als auch die Ausführlichkeit der Texte deutlich gestiegen. Letzteres ist dem früheren Kreisfachberater für Gartenbau und Landespflege, Josef Schröder, zu verdanken. Er betreute den schriftlichen Teil des Projekts, dem das Görauer Heft „Was Großmutter erzählte“ als Vorbild diente. Ansonsten hatte Christine Kießling, bei der alle Fäden bei der Vorbereitung zusammenliefen, viel Hilfe aus ihrer Familie. Gemeinsam mit ihrem Sohn Thomas begann die Gartenbauvereinsvorsitzende bereits 2005 mit dem Sammeln Hunderter alter Fotografieren, ihr Bruder Heinz Bienlein aus Bad Staffelstein investierte viel Zeit in die technische Gestaltung der Chronik.
Vor allem aber dankt Christine Kießling den Bürgern, die einen wichtigen Beitrag zu Büchlein lieferten. Nicht nur, indem sie in ihren privaten „Fotoarchiven“ kramten. Sondern auch, weil die ältere Dorfgeneration Geschichten von früher beisteuerte – so wurde sogar eigens ein „Erzählabend“ veranstaltet, bei dem Anekdoten aus der „guten alten Zeit“ wieder belebt wurden.
„Pfeffern“ und Bierbrauen
Durch diese gemeinsamen Anstrengungen der vergangenen Jahre ist eine Dorfchronik entstanden, die die richtige Mischung aus Information und Unterhaltung auszeichnet, in die sich der Leser ebenso vertiefen wie nur einen kurzen vergnügten Blick werfen kann. Die Geschichte des Dorfes wird ebenso beleuchtet wie die der Kirche, wobei die zugehörigen Kapitel näher auf Brauchtum wie Bierbrauen und das „Pfeffern“ (spielerisches Schlagen mit Ruten nach den Weihnachtstagen) beziehungsweise die Hintergründe zu Wallfahrten, dem katholischen Kindergarten und kirchlichen Denkmälern eingehen.
Nicht nur für jüngere Betrachter interessant sein dürfte die Seite mit den Hausnamen, die auflistet, welche Familien früher Bezeichnungen wie „Kaschber“, „Reussnhelm“ oder „Kinnerleut“ trugen. Auch mundartliches Gedichte, zwei davon erdacht vom Dorfdichter Johann „Schusters Hann“ Herold („Der Sonntagsbraten“, „Des Reisig-Bündla“), sowie das Lied über die Damenfeuerwehrwehr, für die Günter Herold sage und schreibe 16 Strophen verfasste, fanden den Weg in das Werk.
A propos Damenwehr: Knapp ein Viertel des Heftes befasst sich mit dem Werdegang der örtlichen Vereine Feuerwehr, Blasmusik, Stammtisch und Gartenbauverein.
Das Prunkstück des Heftes bildet aber die Fülle von Fotos. Jahrzehnte alte Aufnahmen vermitteln einen Eindruck davon, wie das Dorfleben früher aussah: Ein Ochsengespann zieht einen Wagen, eine Familie posiert vor einem mit Stroh gedeckten Haus, ein Hochzeitsbild ruft in Erinnerung, das die Braut einstmals in Schwarz heiratete; tüchtige Männer mit stolzen Mienen pausieren mit strengen Mienen bei der Steinbearbeitung, nicht weniger ernst blicken Frauen während eines Strickkurses vor der alten Poststelle. Allerdings ist der Titel „Früher in Modschiedel“ nicht ganz korrekt, weil auch einige aktuelle Bilder die Seiten zieren. Etwa im Vereinsteil, wo auch das Weihnachtskonzert im vergangenen Dezember zu sehen ist, oder bei der Damals-und-Heute-Gegenüberstellung von markanten Gebäuden wie dem Dorfplatz oder der ehemaligen Bierwirtschaft Deuber, die jetzt ein Tanzcenter ist.
Auf jeden Fall passend ist aber der Spruch „Nur wer seine Wurzeln kennt, kann wachsen“, der Christine Kießling so gut gefallen hat, dass er als Untertitel der Chronik gewählt wurde. Schließlich ist das Heft nicht nur eine Geschenkidee für alle historisch Interessierten, sondern auch eine Pflichtlektüre für alle ehemaligen und jetzigen Modschiedler, die die Ursprünge ihres Heimatdorfes nicht vergessen wollen. Gelegenheit zum Erwerb von „Früher in Modschiedel“ besteht im Rahmen des vom Gartenbauverein am Sonntag, 2. September, veranstalteten Brunnenfestes oder bei Christine Kießling (telefonischer Kontakt unter der Nummer 09220/447).
Ausschnitt aus dem Obermain Tagblatt